„Der Anfang vom Ende“
„Es ist vorbei. Ich werde mich scheiden lassen.“
Ihre Worte hallten laut in seinem Kopf wider. Die Luft um ihn herum wurde mit einem Schlag kalt wie Eis. Das durfte nicht passieren. Es musste sich um einen Traum handeln – einen Alptraum. Grausam und gemein.
Schnell griff er nach ihrer Hand, als sie an ihm vorbei ging und aus seiner heilen Welt zu gleiten drohte. Er musste sie aufhalten. Sie war sein ein und alles. Sein Leben. Karl konnte nicht zulassen, dass es jetzt so endete.
„Viola, bitte. Was sagst du denn da? Das kannst du unmöglich ernst meinen.“
Seine Stimme zitterte und er hasste sich im gleichen Moment dafür. Warum war er so schwach? Ihre Augen trafen kalt die seinen. Er hatte gehofft, dass es sich um einen Irrtum handelte, ein Missverständnis, dass er sich verhört hatte. Doch ihr eisiger Blick besagte etwas anderes und zerstörte jegliche Hoffnung. Sie schüttelte seine Hand ab, wie eine lästige Fliege. Und genau so fühlte er sich: mickrig, elendig und unsagbar klein.
„Du hast mich richtig verstanden, Karl. Ich lasse mich scheiden und es ist mir verdammt ernst. Oder glaubst du wirklich, ich würde mir die Mühe machen, all meine Sachen ausräumen zu lassen, nur um einen dummen Scherz zu machen?“
Er zuckte zusammen und fing an z schwitzen, als seine Augen seine nun fast leere Wohnung absuchten. Der letzte Möbelpacker verließ gerade mit einer vollen Kiste das Zimmer. Auf einmal wirkte das kleine Apartment viel zu leer und unheimlich groß. Er hatte immer eine größere Wohnung und mehr Platz haben wollen, doch so hatte er das nie gemeint. Die kargen Wände blickten ihm grausam lächelnd entgegen. Der Alptraum drohte ihn zu verschlingen.
„Bitte, Viola, wir können doch über alles reden – wieso? Wieso so plötzlich? Wir sind doch glücklich.“
Seine Stimme versagte und ihm wurde schwindelig. Halt suchend lehnte er sich leicht gegen die graue Wand.
„Glücklich? Das waren wir vielleicht einmal, mein Lieber. Und reden? Ich habe es satt ständig über alles zu reden. Es gibt nichts mehr zu reden! Es ist vorbei. Aus. Finito.“
Das Bild seiner scheinbar glücklichen Ehe zerbröselte unaufhaltsam vor seinen Augen wie ein Puzzle.
„Viola, bitte…“
„NEIN! Verdammt noch mal, Karl!“
Sie schubste ihn unsanft zur Seite, mit einer Kraft, die er ihr gar nicht zugetraut hätte. Der Duft ihres Kirschparfüms, das er sonst immer an ihr geliebt hatte, biss sich hartnäckig in seiner Nase fest und drohte ihn zu ersticken. Der Boden unter ihm schwankte. Kurz bevor sie das Apartment für immer verließ, drehte sie sich ein letztes Mal zu ihm um. In ihren Augen blitzte es gehässig auf und ihr Gesicht wirkte auf einmal wie eine steinerne Fratze. Er erkannte sie nicht mehr wieder. Wer war diese Frau?
„Du kannst schon einmal den Geldbeutel zücken. Mein Unterhalt dürfte dich einiges kosten.“
Seine Kinnlade klappte nach unten. Er wollte protestieren, ihr sagen, dass sie so nicht mit ihm umgehen konnte, doch ein fetter Klos in seinem Hals machte den Protest unmöglich. Bevor er auch nur einen Ton sagen konnte war sie fort, aus seinem Leben verschwunden und seine Lebensfreude hatte sie mitgenommen.